Deutschlands größter Energiekonzern EON will sich offenbar von seinem Südeuropa-Engagement trennen. Damit würde eine bemerkenswerte Kurskorrektur vollzogen. Sie soll dem hochverschuldeten Unternehmen neue Liquidität zuführen.
Teure Fehlengagements
In den letzten Tagen häuften sich Meldungen und Spekulationen über einen bevorstehenden Rückzug des Düsseldorfer Konzerns aus seinen Beteiligungen in Spanien und Italien. Das Spanien-Engagement soll womöglich noch vor Weihnachten beendet werden, bei Italien könnte es noch etwas länger dauern. Kurzfristig hat sich EON auch von den meisten seiner Anteile an zwei Windparks in den USA getrennt. Sie wurden an das kanadische Unternehmen Enbridge verkauft. EON bleibt hier aber mit 20 Prozent beteiligt und fungiert weiter als Betreiber. Über den Verkaufspreis der Anteile an den mit 650 Mio. US-Dollar bewerteten Windparks ist nichts bekannt.
Das Ende des Südeuropa-Engagements setzt den Schlussstrich unter teure Fehlinvestitionen. 2006 wollte EON den spanischen Energieversorger Endesa übernehmen. Bis zu 42 Mrd. Euro war man in Düsseldorf bereit, dafür zu bezahlen. Es wäre die größte Übernahme in der deutschen Industriegeschichte gewesen. Aber im Bieter-Wettbewerb hatte EON damals das Nachsehen. Zum Zuge kamen die Versorger Enel und Acciona aus Italien und Spanien. Von ihnen erwarb EON dann einige Endesa-Beteiligungen in Spanien, Italien, Frankreich, Polen und der Türkei, die die neuen Eigner nicht behalten wollten. Das kostete EON immerhin noch 11,5 Mrd. Euro.
Hohe Schulden und Energiewende belasten
Dieses Investment erwies sich als teure Fehlkalkulation. Die Käufe waren noch vor der Finanz- und der sich anschließenden Eurokrise eingefädelt worden. Nachdem die Wirtschaft in Südeuropa dramatisch einbrach, erwiesen sich die ursprünglichen Erwartungen als Makulatur. Wenig später geriet EON mit der in Deutschland beschlossenen Energiewende – wie andere Energiekonzerne auch – unter Druck. Der Ökostrom hat die an der Börse gehandelten Strompreise nach unten gedrückt und erweist sich als zunehmende Konkurrenz für die konventionelle Stromproduktion. Mit einem Anteil von 22 Prozent an der Erzeugung hat das Auslaufmodell Kernenergie immer noch einen vergleichsweise hohen Anteil bei EON. Auf erneuerbare Energien entfallen gerade mal 11 Prozent.
Die Reißleine gezogen
Es besteht daher erheblicher Investitions- und Umbaubedarf. Gleichzeitig drückt den Konzern ein großer Schuldenberg von 31 Mrd. Euro – nicht zuletzt durch die südeuropäischen Fehlinvestitionen bedingt. Die mussten inzwischen zu über der Hälfte abgeschrieben werden. Das kostete EON sechs Mrd. Euro. Mit dem Verkauf zieht das Unternehmen jetzt die Reißlinie.
Die Spanien-Tochter soll wohl an ein Konsortium aus der Macquarie-Group, einem australischen Infrastruktur-Investor, und Wren House, einem Unternehmen des kuwaitischen Staatsfonds KIA, gehen. Es geht anscheinend um einen Preis von 2,5 Mrd. Euro. Beim Italien-Geschäft sind die Angaben weniger konkret. Hier steht noch nicht fest, ob die Beteiligung als Ganzes oder in Teilen verkauft wird und wer als Käufer zum Zuge kommt. Es gibt mehrere Interessenten. Hier könnte insgesamt über mehr als 2 Mrd. Euro verhandelt werden.