Während Politiker und Wirtschaft gern von erfolgreicher Gleichberechtigung sprechen, sieht die Realität düsterer aus. Eine Untersuchung der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) bringt die deutschen Frauen zwar auf den ersten Platz, aber das gilt eher für Diskriminierung wie weniger Gehalt, schlechtere Karriereaussichten und eine zu geringe Anzahl an Kinderbetreuungsangeboten. Die OECD legt Zahlen vor, die zu denken geben. Angeführt von den Vollzeitarbeitsplätzen bei Behörden verdienen deutsche Frauen über zwanzig Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen bei gleicher Tätigkeit. Da bleibt ein neidvoller Blick zu den belgischen oder norwegischen Nachbarinnen kaum aus, deren Lohngefälle keine zehn Prozent mehr beträgt.
Aber nicht nur beim Gehalt besteht Aufholbedarf, auch die Karriereaussichten sind nur für zehn Prozent rosiger. Das ist der Frauenanteil in Aufsichtsräten deutscher Unternehmen. Solche Spitzenpositionen mit top Gehältern werden in Norwegen nach Einführung einer Frauenquote in vierfacher Anzahl besetzt. Andere EU-Länder liegen zumindest über dem deutschen Durchschnitt, bei einigen sind bereits Bestrebungen da, dem norwegischen Beispiel zu folgen und eine gesetzlich verbindliche Frauenquote einzuführen. EU-Kommissarin Reding will mit einer europaweiten einheitliche Regelung der Frauenquote den Verteilungsprozess bei den Geschlechtern beschleunigen. Noch für den Sommer soll ein Konzept vorgelegt werden, welches die Frauenquote in der EU für alle Staaten einführt.
Dabei liegt die Schuld daran durchaus häufig nicht bei einem Arbeitgeber oder einem Chef, der sich weigert, Frauen mit Karriereabsichten zu beschäftigen und ihnen ein attraktives Gehalt zu zahlen. Auch die Politiker tragen für die schlechteren Aussichten von Frauen auf einen gut bezahlten Job Verantwortung. Viele Frauen legen ihre beruflichen Pläne auf Eis, weil Betreuungsplätze für ihre Kinder fehlen. Im Vergleich zu vielen anderen europäischen Staaten suchen Frauen in Deutschland oft vergeblich eine Kinderbetreuung, die ihnen das Vollzeitengagement im Arbeitsleben noch möglich macht. Die Betreuungsplätze vor allem für Kinder unter drei Jahren sind noch Mangelware und auch die spätere Schulbetreuung lässt im europäischen Vergleich zu wünschen übrig. Dies erleichtert es den deutschen Frauen nicht gerade, sich auf Stellenangebote zu bewerben.
Veröffentlicht in Wirtschaft-News am 05.03.2012