Es ist gerade erst ein paar Wochen her, dass Hartmut Mehdorn einer staunenden Öffentlichkeit als neuer Chef des so genannten Hauptstadtflughafens Berlin Brandenburg vorgestellt wurde. Ausgerechnet Mehdorn, der zuvor als Sanierer der deutschen Bahn und der Air Berlin nicht gerade durch übertriebene Verbindlichkeit auf sich aufmerksam gemacht hat soll die vor sich hin dümpelnde Berliner Großbaustelle retten? Gleich bei seiner ersten Pressekonferenz schien er die Befürchtungen zu erfüllen. Sein Vorschlag: Warum nicht einfach den Flughafen in Berlin-Tegel noch eine Weile weiterbetreiben? Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich. Und die Irritationen gehen weiter…
Neuer Chef Mehdorn vollzieht eine Kehrtwende
Die unendliche Geschichte des Berliner Flughafens ist in den vergangenen Monaten zur tragikkomischen Lachnummer geworden, die sogar Stuttgart 21 in den Schatten stellt. Mit Hartmut Mehdorn geht das Projekt jetzt in eine neue Runde, die vielleicht so neu gar nicht ist. Offensichtlich plant Mehdorn den ehemaligen Flughafenarchitekten Manfred von Gerkan und mit ihm große Teile des ursprünglichen Planungsstabes wieder zurück ins Berliner Flughafenteam zu holen. Star-Architekt Gerkan und das Team der Berlin Brandenburg International galten lange Zeit als Idealbesetzung für die Durchführung des Großprojektes und waren – trotz sich abzeichnender Probleme – unantastbar. Erst als sich im vergangenen Jahr das ganze Ausmaß des Berliner Flughafendesasters abzeichnete, zogen die Betreiber die Reißleine. Mitte 2012 wurden Gerkan und sein Team gefeuert und befinden sich seither im Rechtsstreit mit der Betreibergesellschaft. Sie gelten als mitverantwortlich für die peinlichen Mängel, die eine Fertigstellung des Flughafen verhindert und bereits jetzt zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe verursacht haben.
Unüberwindbare Gegensätze? Um derartige Kleinigkeiten hat sich der knorrige Managementveteran Mehdorn noch nie geschert. Schließlich stört es ihn auch nicht, dass er derzeit quasi mit sich selbst im Rechtsstreit liegt. Nachdem er die Seiten gewechselt und statt an der Spitze einer Fluglinie nun einem nicht vorhandenen Flughafen vorsteht, muss er sich als Flughafenchef mit der Klage auseinandersetzen, die er als Leiter von Air Berlin selbst mit vorangetrieben hat.
Eigenwillig? Eigensinnig? Oder etwa richtig?
Wenn die Reaktivierung Gerkans auf den ersten Blick eher absurd anmutet, relativiert sich der Plan bei genauer Betrachtung. Objektiv betrachtet, lassen sich für das Wiederanknüpfen an die Ursprünge eine Reihe von sachlichen Gründen anführen. Auch wenn offensichtlich Fehler gemacht worden sind, wird sich so schnell keiner finden lassen, der das Projekt besser kennt als der ursprüngliche Planungsstab. Ist es – trotz aller Kinken und Unwägbarkeiten – bei einem derartigen Großprojekt überhaupt möglich mitten im Fluß die Pferde zu wechseln? Eine alte Militärweisheit lautet: Kein Befehl ist so schlecht wie kein Befehl. Und kein Plan so schlecht wie gar keiner.
Wie es heute aussieht, war die Entlassung von Gerkan und Co. eher ein Akt für die Öffentlichkeit und weniger ein Beitrag zur Lösung des Problems. Das sieht auch Technikchef Horst Amann so, der die Entlassungen schon seit längerem als Fehler bezeichnet. „Wertvolles Wissen“ sei so verloren gegangen.
Zwischen Sachzwängen und Politik immer für eine Überraschung gut
Dass die Betreibergesellschaft in der alten Crew die Hauptschuldigen für das Berliner Chaos sieht, wird Mehdorns Vorhaben sicherlich nicht leichter umsetzbar machen. Andererseits werden auch die verantwortlichen Politiker aus Berlin und Brandenburg nach jedem Strohhalm greifen, der eine Aussicht auf Eröffnung des einstigen Prestigeprojekts bietet. Sicher ist, dass mit Mehdorn jetzt ein Mann an der Spitze steht, der die Konfrontation nicht scheut und seine Ziele verfolgt, auch wenn er dabei in manchen Fettnapf treten muss. Vielleicht genügt dem neuen Chaosmanager ja ein Hinweis auf einen derzeit in Berlin kursierenden Witz, der auf den spitzbärtigen Walter Ulbricht zurückgeht: „Niemand hat die Absicht, hier einen Flughafen zu eröffnen.“ Oder doch? Ausgerechnet.