Sind starre Arbeitszeit-Vorschriften ein Auslaufmodell?

In vielen Unternehmen und Organisationen wird die persönliche Anwesenheit am Arbeitsplatz immer noch hoch bewertet. Doch allmählich zeichnet sich eine Trendwende ab. Die Zukunft könnte Arbeitszeit-Modellen gehören, die wesentlich flexibler sind.

Von der Stechuhr zur Vertrauensarbeitszeit

Eine gewisse Aufweichung starrer Arbeitszeiten gibt es schon länger. Sehr viele Firmen und Behörden haben Kernarbeitszeiten und Zeiträume, in denen Arbeitnehmer selbst entscheiden können, wann sie arbeiten. Auch die klassische Stechuhr hat vielfach ausgedient. Vertrauensarbeitszeit heißt das Stichwort.

Um Vertrauen geht es auch bei einer weiteren Flexibilisierung. Dabei könnte die bisher immer noch sehr häufig geforderte persönliche Anwesenheit in der Firma an Bedeutung verlieren. Im Zeitalter von Internet sowie moderner Kommunikations- und Informationstechnologie können viele Arbeiten von zu Hause oder unterwegs erledigt werden. Das Home Office gehört zum Traum vieler Beschäftigten.

Verzicht auf Anwesenheit bedeutet keinen Verlust

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, das ein IT-Riese Vorreiter bei neuen Freiräumen in der Arbeitszeit ist. Bei Microsoft können die Mitarbeiter zwar nach wie vor im Büro erscheinen, müssen es aber nicht. Entscheidende Messlatte ist nicht mehr die Anwesenheit, sondern die Qualität der Arbeit. Das Ergebnis zählt, nicht wann, wo und wie es zustande gekommen ist.

Der Konzern kommt damit den Bedürfnissen vieler Beschäftigten nach flexibleren Arbeitszeit-Regelungen entgegen. Angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftemangels wird es wichtiger, im Wettbewerb um qualifizierte Kräfte attraktive Arbeitszeit-Modelle zu bieten. Für Unternehmen bedeutet das keineswegs einen Verlust. Oft ist es außerhalb des Büros wesentlich besser möglich, konzentriert und produktiv zu arbeiten. Und bei Bürokapazitäten und -ausstattung kann ebenfalls gespart werden. Es ist nur ein gewisse Mindestkapazität vorzuhalten, die der durchschnittlichen Anwesenheit entspricht. Der eigene Arbeitsplatz und Schreibtisch im Büro wird damit verzichtbar.

Es gibt auch Kehrseiten der Medaille

Was auf den ersten Blick für Arbeitnehmer erstrebenswert erscheint, hat allerdings auch Kehrseiten. Es ist eine gehörige Disziplin erforderlich, um die Arbeit im Home Office zu erledigen und sich dabei abzugrenzen. Erreichbarkeit rund um die Uhr oder auch in Ferien wird vielfach zu einer Selbstverständlichkeit. Sehr oft beginnen die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit zu verschwimmen.

In Unternehmen, in denen Mitarbeiter untereinander stark konkurrieren, bleiben dabei eher Freizeit und Urlaub auf der Strecke. Ohne klare Arbeitszeit-Regeln und -Grenzen führen Wettbewerb und damit verbundene Unsicherheiten und Ängste tendenziell zu mehr Arbeitsanstrengungen. Was für das Unternehmen kurzfristig sogar von Nutzen sein mag, ist auf lange Sicht eher bedenklich. Denn psychische Dauerbelastung und Stress machen sich irgendwann negativ bemerkbar.

Nicht für jede Stelle geeignet

Nicht jeder Arbeitsplatz eignet sich für eine so hohe Flexibilität, wie sie jetzt bei Microsoft eingeführt wurde. Es wird auch in Zukunft sehr viele Stellen geben, bei denen die persönliche Anwesenheit und getaktete Arbeitszeiten notwendig sind. Dort wo dies nicht erforderlich ist, könnte sich allerdings der Trend weg vom klassischen Büro-Arbeitsplatz verstärken.

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Veröffentlicht in Arbeitgeber am 22.10.2014