Es ist ein nur allzu vertrautes, aber auch verständliches und nachvollziehbares, Phänomen: in Krisenzeiten, und selbstverständlich auch danach, werden die Stimmen lauter, nach Verantwortlichkeiten für, und Problemlösern gegen, die Krise und ihre Auswirkungen. Es ist nun ein Mal Fakt, dass „alt bewährtes“ gut ist, so lange es keine Zwischenfälle gibt, und neues gefordert wird wenn doch. Und da stellt sich eben nicht nur die Frage nach dem „Wer“ sondern besonders auch nach dem „Wie“. Und so ist es kaum verwunderlich, dass just gerade 2010, dem Jahr nach der Wirtschafts- und Finanzkrise, wieder Bücher den Markt infiltrieren die sich mit Führungsstil und Methoden zur Delegierung Untergebener ausgiebigst, und vorwiegend kontrovers, auseinander setzen wollen.
„Straffere Führung“ ist da nicht selten ein gemeinsamer Konsens, Kontrolle von oben, klare Richtlinien, eben Souveränität in allen Belangen, gefordert von Unternehmensberatern und Coaches, die plötzlich ganz klare Werte und Ziele vor Augen haben, dafür wie man es „besser machen kann“. Roland Jägers Aufreißer „Ausgekuschelt – Unbequeme Wahrheiten für den Chef“ ist so ein Buch, das sagt wie man es „besser machen kann“. Wohl bemerkt, eines von vielen, wenn auch mitunter das erfolgreichste und am häufigsten diskutierte in diesem Jahr. Doch – anders als der Titel vermuten lässt – steht hier keineswegs der Chef oder andere Führungspositionen in der Kritik, genau genommen nicht ein Mal im Fokus, sondern der Mitarbeiter per se, als unterste Kaste eines hierarchischen Systems das überwiegend auf Kontrolle basiert. Und widerspricht sich damit, wie nicht wenige seiner Kollegen, auch gleich selbst. Denn obwohl eine strenge Hand propagandiert wird, soll diese doch zeitgleich delegieren statt diktieren, auf der anderen Seite aber klar vorgeben und die Entscheidungsgewalt behalten. Während im nächsten Satz bereits von der größtmöglichen Entfaltungsfreiheit sogenannter „High Potentials“ – ein fiktives Wort das lediglich Mitarbeiter mit hohem Potential anderssprachig umschreibt – die Rede ist, gefolgt vom konsequenten Umgang mit „führungsbedürftigen Mitarbeitern“, unterm Strich jene Arbeitsbienen die nicht bereit, willig oder fähig sind eigenverantwortlich zu arbeiten, in einer Unternehmensstruktur, die eigentlich doch eh keine Eigenverantwortlichkeit Untergebener verlangt, außer natürlich es geht an die Konsequenzen.
Nun muss man kein Genie in Sachen Unternehmensführung sein, um zu wissen dass „klare Ansagen“ seitens der Entscheidungsträger positiv für alle sind, und Kontrolle ist besser als Vertrauen. Der Psychologe Kurt Lewein hat bereits im frühen 20. Jahrhundert die drei Führungsstile klassifiziert, aufgeteilt in autoritär, kooperativ sowie laissez-fair, und kam damit zu dem Schluss das letztlich in modernen Zeiten nur einer davon wirklich tragbar und nachhaltig wirkungsvoll sein wird: der kooperative Führungsstil.
Warum also steht gerade während und nach Krisenzeiten ausgerechnet wieder der autoritäre Führungsstil so hoch im Kurs? Sind es letztlich nicht die selben Unternehmensberater heute, die bereits schon vor der Krise beraten haben? Was also hat sich geändert, und warum?
Mitarbeiter vertrauen darauf, dass ihr Chef den Weg kennt und die Richtung vorgibt. Vertrauen ist eine fundamentale Basis, auch heute noch, denn Kompetenz beginnt beim Vorgesetzten. Immer. Da hilft es nichts von Untergebenen als „Waschlappen“ und „Weicheiern“ zu sprechen, nur weil sie individuelle Anforderungen mit sich bringen die nicht 365 Tage im Jahr der heute geforderten 150% und mehr Leistungsbereitschaft entsprechen, welche ohnehin niemand auf Dauer liefern kann.
Ja, es sind harte Zeiten, für alle. Für Unternehmen ebenso wie für Vorgesetzte und Mitarbeiter. Mitarbeiter – ein gutes Word, das im strengen Führungsstil eigentlich so gut wie nicht vorhanden ist, dort nennt man sie schlicht und einfach Untergebene, was einer Degradierung gleich kommt, jedenfalls im persönlichen Empfinden. Kein Zweifel – eine klare Positionierung des Vorgesetzten gegenüber denen die für ihn arbeiten ist wichtig, ebenso Konsequenz, eine gewisse Kontrolle und eine klare Linie. Der Angestellte kann nicht zufriedenstellend arbeiten, wenn er nicht weiß wofür er arbeitet, und wohin. Doch sind klare Ziele, feste Strukturen und das Einfordern von Leistungsbereitschaft wirklich eine sinnvolle Diskussionsgrundlage? Sind sie nicht viel mehr grundlegende Selbstverständlichkeiten?
Bei der Frage danach, wie „hart“ ich als Führungskraft meine Mitarbeiter „anpacken“ darf, ergibt sich eigentlich nur eine einzige sinnvolle Schlussfolgerung, die weder neu ist noch innovativ, sondern bewährt und ein Resultat logischen Denkens: so hart wie nötig, aber so fair wie möglich!
Unternehmens- und Mitarbeiterführung darf alles sein, außer eines: unfair und willkürlich. Motivation, Leistungsbereitschaft und ein gesundes Miteinander/Arbeitsklima ergeben sich unter diesem Stern von ganz alleine. Klar ist, dass Schädlinge vernichtet werden müssen. Das ist überall so, und auch wenn es provokant klingt, lässt es sich nicht leugnen. Wie hoch hierbei die eigene Toleranzgrenze indes gesetzt wird ist eine persönliche Entscheidung, die einem kein Unternehmensberater abnehmen kann, denn die wird am Ende von Zahlen und Fakten entschieden, nicht von starren Ideologien.
Unterm Strich bleibt stehen: „Führung“ kommt von „führen“, nicht von „Führer“. Und führen kann man nur, wenn man weiß wo das Ziel liegt.
Veröffentlicht in Arbeitgeber am 01.02.2011